Im Rahmen der Herzwochen 2021 haben drei Karlsruher Herzexperten der ViDia Christliche Kliniken, des Städtischen Klinikums und der Helios Klinik für Herzchirurgie telefonisch Fragen rund um Erkrankungen des Herzens beantwortet. Zum Nachlesen haben Prof. Dr. Jacobshagen, Dr. Merkel und Prof. Dr. Mehlhorn für Betroffene und Interessierte die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.
Die Telefone der drei Herz-Experten klingelten fast pausenlos. Die gestellten Fragen betrafen vor allem persönliche Krankengeschichten, jedoch wurde auch die Corona-Pandemie thematisiert: Aus Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus sagen Betroffene Kontrolluntersuchungen ab oder zögern bei Symptomen den Krankenhausaufenthalt hinaus. Dies kann insbesondere bei Herzerkrankungen schwerwiegende Folgen haben. Ein deutlicher Appell an die Patienten ist deshalb:
Bei Herzbeschwerden rechtzeitig zum Arzt gehen. Praxen und Kliniken haben hohe Hygienestandards, um Patienten und Mitarbeiter vor einer Infektion zu schützen.
Die Gespräche haben zudem gezeigt, dass viele Betroffene unsicher sind, ob sie sich gegen das Corona-Virus impfen lassen sollen: „Kann ich mich als Herzpatient gegen das Corona-Virus impfen lassen? Besteht die Gefahr einer Herzmuskelentzündung?“ Viren sind die häufigsten Auslöser einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis). Wenn es zu einer Infektion mit dem Corona-Virus kommt, ist die Wahrscheinlichkeit daran zu erkranken deutlich höher, als dass die Herzmuskelentzündung als Impfnebenwirkung auftritt. Die Impfung schützt nicht immer vor einer Infektion mit dem Corona-Virus, sondern vor allem vor einem schweren Krankheitsverlauf. Herzpatienten gehören zur Risikogruppe und sollten sich deshalb unbedingt impfen lassen.
Prof. Dr. Claudius Jacobshagen,
Direktor der Klinik für Kardiologie, Intensivmedizin und Angiologie, ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe
Ein 58-jähriger Anrufer berichtet, dass bei ihm eine Verengung der Aortenklappe bekannt sei. Er habe jedoch im Alltag keine Beschwerden. Nur beim Mountainbike fahren bekomme er einen Druck auf der Brust.
Die Aortenklappenstenose sollte mit einem Herzultraschall genau quantifiziert werden. Der Druck auf der Brust bei Belastung könnte ein Symptom dieser Klappenerkrankung sein. Dann müsste über einen Klappenersatz nachgedacht werden.
Ein 85-jähriger Patient berichtet, dass sein Puls immer sehr niedrig sei. Bei den Blutdruckmessungen zeige das Gerät Pulswerte um 48 pro Minute an. Außer einer Blutdrucktablette nehme er keine Medikamente ein. Es gehe ihm sehr gut, er habe keinen Schwindel und sei auch noch nie umgekippt.
Solange eine langsame Pulsfrequenz keine Beschwerden bereitet, besteht keine Notwendigkeit für einen Herzschrittmacher. Sollte es aber zu Schwindel oder Bewusstseinsverlust kommen, wäre eine Schrittmacherimplantation die richtige Therapie.
Ein 74-jähriger Patient berichtet, dass er Anfang des Jahres Herzstolpern verspürt habe. Daraufhin wurde ihm ein Betablocker verordnet. Dieser habe keine Besserung gebracht. Jetzt gehe es ihm jedoch wieder gut. Es tritt kein Herzstolpern mehr auf.
Grundsätzlich wäre ein Langzeit-EKG geeignet, die Herzrhythmusstörungen zu beurteilen. Wenn aktuell keine Beschwerden mehr bestehen, besteht kein akuter Handlungsbedarf.
Eine 78-jährige Patientin berichtet, dass bei ihr eine Mitralklappeninsuffizienz und Vorhofflimmern festgestellt wurde. Ihre behandelnden Ärzte seien sich nicht einig, ob die Herzklappe oder das Vorhofflimmern behandelt werden sollte.
Hierzu sollte der Schweregrad der Klappenundichtigkeit im Herzultraschall genau untersucht werden. Wenn die Klappenundichtigkeit hochgradig ist, macht es Sinn, zunächst die Klappe zu behandeln. Mit unbehandelter Klappe würde das Vorhofflimmern immer wieder kommen. Falls die Klappenundichtigkeit nicht schwergradig ist, sollte das Vorhofflimmern mittels Medikamenten oder Katheterablation behandelt werden.
Dr. med. Matthias Merkel,
Kommissarischer Klinikdirektor des Städtischen Klinikums Karlsruhe
Bei einem 80-jährigen Mann besteht seit drei Jahren ein Vorhofflimmern. Er erkundigt sich, ob eine Elektrophysiologische Untersuchung mit Ablation Abhilfe schaffen kann.
Bei einem seit drei Jahren bestehenden unbehandeltem Vorhofflimmern stehen die Chancen höchstens 50:50, dass eine Ablation zu einem normalen Herzrhythmus führt. Es empfiehlt sich primär eine Elektroschocktherapie in Form einer Kardioversion sowie eine sich anschließende medikamentöse Therapie mit rhythmisierenden und gerinnungshemmenden Medikamenten.
Bei einer 70-jährige Frau wurde im EKG eine sogenannte Bradykardie mit einem verlangsamten Herzschlag festgestellt. Sie erkundigt sich, welche Behandlung erforderlich ist.
Nach mehreren Ohnmachtsanfällen wurde im Zuge der Abklärung im EKG ein verlangsamter Herzschlag - eine so genannte Bradykardie - festgestellt. Es empfiehlt sich eine weitere Abklärung durch ein Langzeit-EKG. Zeigt sich im Zuge der Diagnostik, dass Reizleitungsstörungen vorliegen, sprich die elektrische Erregungsleitung über das Reizleitungssystem des Herzens verzögert ist, kann die Implantation eines Herzschrittmachers indiziert sein.
Ein 50-jähriger Mann klagt über ein anfallsartiges Herzrasen und bittet um eine medizinische Einschätzung. Bei ihm ist ein WPW-Syndrom bekannt.
Beim Wolff-Parkinson-White-Syndrom wird das Herz durch eine oder mehrere zusätzliche Leitungsbahnen fehlerhaft erregt. Das kann ein anfallsartiges Herzrasen auslösen. Diese Form der Herzrhythmusstörung kann im Zuge einer Elektrophysiologischen Untersuchung durch eine Verödung der überzähligen Leitungsbahn therapiert werden.
Prof. Dr. Uwe Mehlhorn,
Ärztlicher Direktor und Chefarzt Herzchirurgie und Intensivmedizin, Helios Klinik für Herzchirurgie Karlsruhe
Bei einem 58-jähriger Mann wurden vor zwei Jahren eine Verengung der Aortenklappe (sog. Aortenklappenstenose) und eine koronare Herzerkrankung diagnostiziert. Er habe kaum Symptome, nur etwas Luftnot bei Belastung. Wie soll er sich verhalten?
Zwei Jahre nach einer Diagnose kann es sinnvoll sein, den Kardiologen erneut aufzusuchen, und das Herz nochmals untersuchen zu lassen. Der Kardiologe kann dann beurteilen, ob die Erkrankung möglicherweise fortgeschritten ist und ggfs. eine notwendige Behandlung einleiten.
Ein 60 Jahre alter Patient leidet an einer Herzinsuffizienz im Endstadium. Ihm wurden bereits ein Defibrillator und ein Herzschrittmacher implantiert. Welche weiteren chirurgischen Möglichkeiten bestehen bei ihm?
Bei einer weit fortgeschrittenen Herzinsuffizienz kann ein Herzchirurg grundsätzlich ein sogenanntes Kunstherz, also eine sehr kleine permanente Blutpumpe zur Unterstützung des versagenden Herzens implantieren. Jedoch kommt dies nicht bei allen Patienten in Frage. Ob die Implantation eines Kunstherzens möglich ist, wird bei Voruntersuchungen, die einen stationären Aufenthalt in der Herzchirurgie erfordern, geprüft.
Vor sechs Jahren erhielt eine mittlerweile 72-Jährige einen biologischen Aortenklappen-Ersatz durch einen kleinen Schnitt über dem Brustbein zur Eröffnung des Brustkorbs. Sie berichtet, dass die implantierte biologische Herzklappe wieder eine Verengung zeige und fragt nach Behandlungsmöglichkeiten.
Biologische Herzklappenprothesen halten im Mittel 12-15 Jahre, bevor sie degenerieren (=sich zurückbilden); jedoch gibt es auch sogenannte „Frühdegenerationen“ bereits nach 4-6 Jahren. Heutzutage kann durch eine minimal-invasive Katheter-Intervention über die Schlagader in der Leiste eine neue Herzklappe in die degenerierte Klappe implantiert werden, ohne den Brustkorb erneut eröffnen zu müssen („TAVI-valve-in-valve-Prozedur“).